Warum ich keinen Verhaltenskodex unterschreibe

Es kommt immer wieder mal vor, das ein potenzieller Kunde schon vor dem ersten Gespräch unterzeichnete Dokumente von mir sehen möchte. Dokumente wie ein NDA (Non disclosure agreement – Vertraulichkeitserklärung) finde ich dabei völlig okay, auch wenn ich es vor dem ersten Gespräch für überzogen halte, aber das ist ein anderes Thema.

Dann wiederum gibt es ab und an Anfragen von Interessenten, die mir Ihren Verhaltenskodex zur Unterschrift zusenden. Wer das nicht kennt: ein Verhaltenskodex umfasst freiwillige Erklärungen zum eigenen Geschäftsverhalten, wo Dinge angesprochen werden wie:

  • Geschäftsverhalten
    • Einhaltung von Gesetzen
    • Verbot von Korruption und Bestechung
    • Achtung von Wettbewerb und Eigentumsrechten
  • Umgang mit Mitarbeitern
    • Ächtung von Diskriminierung, Belästigung, Zwangsarbeit, Kinderarbeit
    • Angemessene Entlohnung
    • Arbeitssicherheit
  • Umweltschutz & Nachhaltigkeit (Fucking Buzzword 2021)

Nun spricht natürlich nichts gegen diese Punkte (oben ist nur eine Beispielliste) und ich halte das inhaltlich auch für richtig, welcher gesunde Mensch würde einen der Punkte ablehnen (ich sag nur unbezahlte Praktika)?

Nein, mein Problem ist, dass es überhaupt nichts mit dem eigentlichen Auftragsthema zu tun hat. Hier wird primär versucht, Einfluss auf das Verhalten von Geschäftspartnern auszuüben.

Der Dienstleister erklärt mit seiner Unterschrift, dass er den Verhaltenskodex für Dienstleister erhalten hat. Er verpflichtet sich, die vorstehenden Grundsätze und Regelungen anzuerkennen und einzuhalten.

Kommen wir zum Kernpunkt meiner Ablehnung. Von den potenziellen Kunden wird vorausgesetzt, dass Ihr Verhaltenskodex angenommen wird. Es liegt in der Autonomie meiner Kunden so einen Verhaltenskodex auszugeben, aber gleichzeitig wird durch einen (beinahe) Kontrahierungszwang meine Privat- bzw. Geschäftsautonomie in Frage gestellt. Denn der Zwang zur Unterschrift ist gleichzeitig der einzige Weg den Auftrag zu erlangen. Und das, bevor überhaupt das erste Gespräch stattgefunden hat.

Auch wenn ich inhaltlich mit allen Punkte übereinstimme, ich unterschreibe sowas grundsätzlich nicht. Ob es nun ein Code of Conduct von Open Source Communities ist, oder ein Verhaltenskodex eines Kunden – sofern da mehr als “Sei kein Arsch” drin steht, bekommt es von mir kein OK.

Nun bin ich in der luxuriösen Position viel mehr Anfragen zu haben, als Zeit diese umzusetzen und kann so auch mit ruhigem Gewissen einfach “Nein” sagen. Aber Dienstleister, die nicht über so eine (finanzielle) Freiheit verfügen? Pervertiert das vielleicht die gute Absicht?

Der Dienstleister erklärt und verpflichtet sich außerdem, die vorstehenden Grundsätze und Regelungen auch bei seinen Subunternehmern und Lieferanten / Dienstleistern einzufordern und deren Einhaltung zu gewährleisten.

Es wird versucht, einen (vermeintlich) abhängigen Dienstleister den eigenen “Image-freundlichen Verhaltenskodex” aufzuoktroyieren. Ich unterstelle hier zwar erstmal eine gute Absicht, aber der Weg dahin gefällt mir überhaupt nicht. Wenn dann auch noch mit dieser überlegenen Weltretter Einstellung des Unternehmens geworben wird, dann ist für mich ganz schnell die Grenze des Greenwashings überschritten. Vermeintliche moralische Überlegenheit.

Dabei ist der größte Witz, dass dieser Verhaltenskodex nur den “kleinen Geschäftspartnern” vorgelegt wird. Reden wir über den Email- oder Cloudanbieter (Google, Apple, Microsoft), über den Anbieter den Telefon- und Internetzugangs, über den Mobilfunkanbieter, über den Hersteller der Handys – reden wir über die Hersteller der Akkutechnologien in den genutzten Laptops oder auch einfach nur über den Kaffeehändler. Werden Geschäfte mit diesen gemacht, ohne sie zu der Unterschrift zu zwingen? Natürlich nutzt man deren Dienste. Und DAS ist Heuchelei. Denn es sind es doch gerade die großen, die überhaupt den Einfluß hätten, tatsächlich etwas zu bewirken.

Ich kann, aber ich will auch niemanden kontrollieren oder ihm Regeln aufzwingen. Liegt nicht in meiner Natur. Es gibt Anbieter, die würde sowas unterschreiben und den Inhalt einfach ignorieren, und es gibt Menschen die Ihren Teil zum positiven Wandel unserer Welt auf andere Weise beitragen. Die etwas Gutes bewirken, ganz ohne Kodex. Und genauso wie man dem Kaffeehändler das “FairTrade” Label glaubt, so kann man auch erstmal mit mir reden, ohne mir so ein Dokument aufzuzwingen. Ich bin ein Freund mündlicher Absprachen, von Vertrauen und gegenseitigem Respekt.

Einem Interessenten der mir schrieb:

Es geht ja grade darum einerseits verantwortungsvolles Handeln zu unterstützen, und andererseits Firmen/Personen, die gegen so grundlegende Prinzipien verstossen, zu sanktionieren.

habe ich geantwortet:

Tue ich aber nicht, ich verstoße nicht dagegen. Es ist grotesk, dass daran festzumachen, ob sich jemand durch Zwang zu einer Unterschrift drängen lässt. Kein gesunder Mensch kann etwas gegen die einzelnen Punkte im Dokument haben (bis ihm die richtige Summe geboten wird und die Bestechung selbstverständlich annimmt). Ich lasse mich nur nicht zu einer Unterschrift unter einem Dokument zwingen, das nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun hat und dessen Abschlußsatz mir sowieso unmöglich ist einzuhalten.

Wie erwartet, hat die Verweigerung der Unterschrift des Verhaltenskodex dazu geführt, dass die Kommunikation abgebrochen und kein Geschäftskontakt aufgebaut wurde. Und nein, das lag nicht am Ton 😃

Ich kann nur vermuten, dass diese Unternehmen auf ihren Prozess mehr Wert legen, als auf den Inhalt. Wenn ich inhaltlich in allem zustimme, aber nicht über die Marktmacht verfüge bestimmte Punkte zu beeinflussen und daher eine Verpflichtung nicht unterzeichnen will, dafür dann aber “sanktioniert” werde, dann sieht das für mich so aus, als ob der Kunde mir Lügen und eben jenes Verhalten unterstellt. Was auch für mich keine Grundlage für eine Geschäftsbeziehung darstellt.

Abschlusswort

Es ist zwar schade, das Sie mich unter diesen Umständen nicht als Dienstleister wollen, aber ich freue mich dennoch, wenn Sie meine kostenlose und vollständig freie Zeiterfassungs-Software Kimai nutzen. Und denken Sie dabei nochmal kurz an Ihren eigenen Verhaltenskodex und den Punkt “Angemessene Entlohnung” 👿